Wenn eine faschistische Regierung ins Amt kommen könnte, muss die Zivilgesellschaft sich darauf strategisch vorbereiten. Das Gute: Man kann sich vorbereiten. Praktische Vorschläge aus den Erfahrungsberichten in den USA

In den USA war lange zuvor absehbar, dass Donald Trump die Wahl zum Präsidenten erneut gewinnen könnte. Dennoch schienen gerade die großen Player der Zivilgesellschaft kaum darauf vorbereitet – Universitäten, große NGOs, Thinktanks, Gewerkschaften.
Unsere Kolleg*innen im Büro Washington der Heinrich-Böll-Stiftungen haben anders entschieden: Sie haben sich ein Jahr lang, schon ab Januar 2024 auf eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump vorbereitet.
Hier teilen wir ihre Erfahrungen kurz und knapp. Ausführlich sind sie im Podcast-Gespräch mit Ella Müller aus Washington zu hören LINK
Was kommen kann: Ein Regierungsbeteiligung von Faschist*innen ist (auch in Deutschland) möglich
Viele große Institutionen waren offenbar überhaupt nicht vorbereitet auf die Pläne der Trump-Regierung. Dabei lagen sie auf der Hand: Das Project 2025 wurde bereits zwei Jahre zuvor im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen veröffentlicht.
„Wir sind das Kapitel für Kapitel gemeinsam durchgegangen. Jede:r im Team eben mit einem Schwerpunkt und Fokus darauf, wo er oder sie sich auskennt. Wir haben gemeinsam besprochen: Was heißt das eigentlich, was die wollen? Was steht da eigentlich? Und diese inhaltliche Auseinandersetzung hat uns erst mal geholfen, ein bisschen Boden unter den Füßen zu kriegen“, sagt uns Ella im Gespräch.
Dadurch wurde das Problem konkret: Es ging nicht mehr um eine abstrakte Gefahr für die Demokratie, sondern um konkrete politische Vorhaben. Entsprechend konkret konnte man sich vorbereiten:
- Neue Allianzen suchen: in den USA sind das demokratisch regierte Bundesstaaten, Kanada, Zivilgesellschaft
- Sicherheit von Mitarbeiter*innen, besonders ausländischen oder von Rassismus betroffenen Kolleg*innen
- Wer abhängig von staatlicher Förderung ist: Finanzen wenn möglich auf eine breitere Basis stellen
- Programme zum Schutz von Partner*innen und Kolleg*innen
„Was wir vorher als USA Büro noch nie machen mussten, ist uns darüber Gedanken zu machen, wie man Leute in autoritären Staaten schützen kann. Welche Verantwortung tragen wir? Welche Maßnahmen müsste man vorbereiten? Was passiert, wenn einer unserer engen Partner tatsächlich ins Visier der Trump-Administration gerät und zum Beispiel aus dem Land muss? Das durchzudenken und vorzubereiten war auch ein wichtiger Teil unserer Arbeit und ist es bis heute.“ (Ella Müller)
❌ Was nicht hilft: ignorieren
✅ Was hilft: sich vorbereiten
Was kommt: Ultra-rechte Schreckensszenarien, wüste Programme, unrealistische und gesetzeswidrige Vorschläge
Viele Pläne von extrem rechte Parteien sind absurd, widersprüchlich, zum Teil nachteilig für ihre eigene Klientel und sind oft gesetzeswidrig. Das birgt die Gefahr, sie nicht ernst zu nehmen.
In Deutschland kommt das Problem der Normalisierung dazu: Viele behaupten, man müsse etwa die extrem rechte Partei AfD ins Handeln kommen lassen. Dann würde die AfD sich selbst entzaubern. So könne man sie „politisch stellen“ oder das Regierungsamt würde sie moderater werden lassen. Nicht erst Trump zeigt, dass das genaue Gegenteil richtig ist. Innerhalb kürzester Zeit hat die Trump-Administration über Präsidialdekrete Strukturen wie die Entwicklungshilfe faktisch zerstört, Wissenschaft verunmöglicht, Gesetze gebrochen und illegal Menschen deportiert. All das konnte man wissen, denn es war Teil des Programms und der Ankündigungen im Wahlkampf.
„Ernst nehmen“, sagt Ella, „hilft sich gedanklich in eine Situation zu bringen, die heißt ja, das ist möglich. Und gleichzeitig dann, wenn so ein Moment tatsächlich kommt, nicht permanent überrascht und fassungslos zu sein und dadurch natürlich auch orientierungslos und wehrlos. Das ist ja im Grunde genommen der gefährlichste Zustand, in dem wir als demokratische Menschen sein können.
❌ Was nicht hilft: Verharmlosen
✅ Was hilft: ernst nehmen
Was kommt: Angriffe auf zivilgesellschaftliche Institutionen
Anfangs zeigten sich viele Teile der US-amerikanischen Zivilgesellschaft noch kooperativ gegenüber der Trump-Regierung.
„Ich war entsetzt und ratlos darüber, warum die Zivilgesellschaft hier in den USA der Trump-Administration so viel Zeit und so viel Raum gegeben hat, ihr Programm umzusetzen in den letzten 100 Tagen. Damit meine ich nicht die Leute auf der Straße, die Amerikanerinnen und Amerikaner, sondern damit meine ich in erster Hinsicht die großen etablierten zivilgesellschaftlichen Institutionen: Universitäten, NGOs, Thinktanks. Die Eliten haben versagt, auch die liberalen.“ (Ella Müller)
Die rechte Regierung der USA fährt dauerhaft Angriffe auf die Zivilgesellschaft (mehr dazu im Podcast LINK). Trotzdem gab es anfangs kaum Widerstand, sondern sogar eine Annäherung, berichtet Ella. Doch inzwischen gibt es etwas, das funktioniert: kollektive Organisierung. Sobald die Institutionen sich zusammentun, können sie es dem Weißen Haus massiv erschweren, seine Agenda durchzusetzen. Ein Beispiel für das Scheitern und Gelingen sind die großen privaten Universitäten (das erzählt Ella ausführlich im Podcast).
„Eine kollektive Reaktion an Stelle einer individuellen Reaktion, wenn man angegriffen wird, ist das einzige, was funktioniert gegenüber dieser Regierung. Das ist das Learning aus den ersten drei Monaten.“
❌ Was nicht hilft: nachgeben
✅ Was hilft: sich gemeinsam wehren
Wie kommen wir da wieder raus?
Man muss die extreme Rechte und ihre Pläne ernst nehmen. Aber sie behaupten, unbesiegbar und allmächtig zu sein. Das soll einschüchtern, ist aber falsch, sagt Ella: „Natürlich sind rechte Regierungen, rechte Parteien, rechtsradikale Bewegungen besiegbar, und zwar auch, weil wir so viele sind und weil es in vielen Gesellschaften noch einen großen Konsens darüber gibt, dass wir am Ende des Tages in einer liberalen Demokratie mit gewissen Grundwerten und Grundrechten leben wollen.“ Eigentlich seien es die Rechten Kräfte, die ihr Rückzugsgefecht auskämpfen würden, denn die Gesellschaften sind liberaler und demokratischer geworden.
Nur das Verteidigen des Status quo reicht dafür aber nicht aus, denn der ist ungerecht. Die neoliberale „Alternativlosigkeit“ wird kaum Menschen gegen autoritäre Versprechen begeistern. Das sagt zum Beispiel die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl. Es braucht also glaubhafte Versprechen und Organisierung für eine solidarische Gesellschaft der Vielen.
Und: Alleine können wir das nicht schaffen. Es braucht Organisierung. Nur wenn sich auch Institutionen organisieren, können sie den Machtansprüchen rechter Regierungen etwas entgegensetzen. Nur wenn Menschen sich organisieren, können sie hoffen, handeln und Neues entstehen lassen. LINK Zusammentun
In den USA gibt es bereits große, landesweite Demos, Boykotte und Streik. Die Deportationen haben eine große Welle von Solidarität ausgelöst und eine Wahrnehmung: „Da ist jetzt eine Grenze überschritten worden. Wenn jemand, der eine Greencard hat, der seit Jahrzehnten hier im Land lebt, der seine Kinder hier zur Schule schickt, einfach so abgeholt, verschleppt und dann in diese Arbeitslager in El Salvador geschickt werden kann. Das darf nicht sein in einem Land, wo so viele Menschen ja keine Staatsbürger sind“, berichtet Ella.
Bei allem, was wir tun können, gehört auch das das Unterlassen dazu, das Sich Verweigern und Routinen unterbrechen. An Verbrechen wie Deportationen darf man nicht mitwirken, auch nicht auf Umwegen. Nicht aktiv und nicht administrativ. Die Normalität zu durchbrechen, kann aber Gelingen, daran glaubt Ella: „Leider gab es noch keinen Generalstreik, der wirklich Sichtbarkeit im ganzen Land schaffen würde und auch diese Normalität durchbrechen würde, die wir jetzt häufig sehen. Das kann aber alles noch kommen.“
❌ Was nicht hilft: rechte Allmachtsfantasien verstärken
✅ Was hilft: sich zusammentun und an einer freien, solidarischen Gesellschaft festhalten, handeln und unterlassen
Das ausführliche Gespräch mit Ella Müller ist im Podcast "Hinhören & Handeln" zu hören. Wie kann man sich auf extrem rechte Regierungen vorbereiten? Diese Frage bleibt dort unser Thema in diesem Jahr. Podcast abonnieren: